Rüschlikon (energate) - An einer Podiumsdiskussion kritisierte FDP-Nationalrat Matthias Jauslin die gegenwärtige Schweizer Energiepolitik. "Wir in der Politik sind in einen Hyperaktivismus verfallen", monierte Jauslin an der Vertriebsleitertagung Energie. Das sei vor allem in der vergangenen Session zu sehen gewesen. "Wir haben Gesetze verabschiedet, die wir vor zwei Jahren noch nicht verabschiedet hätten", so der FDP-Politiker. Zudem habe das Parlament der Bevölkerung auch "ein bisschen Sand in die Augen gestreut", etwa in Bezug auf den "Grimsel-Paragrafen", der es ermöglichen soll, die Staumauer um 23 Meter zu erhöhen (energate berichtete). "Wir nehmen das ins Gesetz auf, dabei wissen alle, dass dort vor 2025 gar nichts passiert", so Jauslin. In diesem Fall sei die Dringlichkeit nicht gegeben gewesen.
Hyperaktivismus warf Jauslin aber nicht nur dem Parlament vor, sondern auch dem Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). "Nehmen wir diese acht Gasturbinen in Birr", sagte der Nationalrat. "Die sind in der CO2-Bilanz eine Katastrophe." Überhaupt würden solche Notkraftwerke sonst nur in Kriegs-, Krisen- und Katastrophengebieten eingesetzt. "Wir haben zehn Jahre geschlafen, vielleicht ein bisschen länger, und kommen jetzt zum Schluss, dass wir eben verschlafen haben", kritisierte Jauslin. "Da müssen wir uns selber an die Nase fassen, dass wir nicht früher reagiert, sondern auf Eigenverantwortung gesetzt haben."
Suter weist Vorwürfe zurück
SP-Nationalrätin Gabriela Suter erwiderte, dass eine Allianz von Mitte bis SVP die Energiewende in den letzten zehn Jahren immer wieder systematisch torpediert habe. "Jetzt haben wir die Quittung", so Suter. "Wir hätten schon lange sehr viel schneller ausbauen und Erneuerbare zubauen wollen; aber man hat zum Beispiel beim Photovoltaikausbau gezielt einen Deckel gemacht." Dadurch seien lange Wartelisten entstanden und gesprochene Fördergelder fürs ganze Jahr schon Ende Februar aufgebraucht gewesen. "Wir hatten im Parlament Motion um Motion eingegeben, um diese Fördergelder voranzutreiben", so Suter, und an Jauslin gerichtet: "Das habt ihr von eurer Seite auch blockiert." Zudem habe sich die Politik sehr stark auf den Import von Strom verlassen. Daraufhin konterte Jauslin, dass SP und die Grünen immer für Maximalforderungen eingestanden seien, die in der Politik nicht umsetzbar seien. "Maximalforderungen führen eben zu einem Crash", so der FDP-Politiker.
Für Noah Heynen, CEO vom Energiedienstleister Helion, machte es sich Jauslin mit seiner Aussage "zu einfach". Die Richtung in der Politik sei gut gewesen, "aber wir haben einfach gepennt und waren inkonsequent", so Heynen. Beispielsweise habe die Politik in der Photovoltaik einst ein Ausbauziel von 11,4 Mrd. kWh bis zum Jahr 2035 ausgegeben. "Das ist einfach nichts", kritisierte Heynen. Nun sei das Ziel auf 34 Mrd. kWh erhöht worden (energate berichtete). "Und jetzt kommt langsam etwas in Gang", so der Helion-CEO. Dabei sei die Faktenlage damals nicht anders gewesen als heute. "Nur: Jetzt geht es irgendwie", so Heynen und fügte an Suter und Jauslin gerichtet an: "Schade, habt ihr es nicht früher machen können."
Redakteur Michel Sutter, energate
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