Freitag, 12. Oktober 2018

Nachlese: Vertriebsleitertagung Energie 2018

An der vierten Jahrestagung trafen sich gut 80 Energiefachleute und Experten aus dem Bereich Vertrieb, um die Themen Eigenversorgung, Datenschutz & Analytics, Blockchains und Energiedienstleistungen zu diskutieren. Der erste Tag der Vertriebsleitertagung Energie widmete sich voll und ganz den kritischen Erfolgsfaktoren für den Energievertrieb. Im ersten Teil ging es dabei um das Spannungsfeld von freiem Markt, Regulierung, Netz und Vertrieb. Eingeleitet wurde mit einer aufschlussreichen Keynote von Nationalrat Martin Bäumle. Zunächst berichtete er vom aktuellen Stand der Diskussionen zum Stromabkommen. Er sieht hier aktuell keine Mehrheiten in Bern und äussert sich besorgt über den hohen Anteil von etwa 30% Klimaskeptikern im Parlament. Seiner Ansicht nach ist die Zukunft geprägt von Erneuerbaren, Dezentralisierung und E-Mobilität. In diesem Zusammenhang sieht er das zukünftige Marktdesign als erfolgsentscheidend an. Dieses sei jedoch noch komplett offen.

Anschliessend erklärte Georg Meier (Stv. Geschäftsleiter, Energie Zukunft Schweiz), wer die Menschen der neuen Kundengruppe «Prosumer» eigentlich sind, welchen Herausforderungen der Energievertrieb gegenübersteht und welche erfolgversprechenden Lösungsansätze existieren. Stefan Rechsteiner (Partner, VISCHER AG) griff dazu das Thema Datenschutz bei intelligenten Mess- und Steuersystemen auf. So ist beispielsweise immer die Einwilligung der Datennutzung erforderlich, die Daten müssen im Kontext zur Datenerhebung und Nutzung stehen und nach 12 Monaten vernichtet werden. Die sich ableitende Kernfrage war: «Wie bewirtschaftet man das Thema»? Zu der Datenbewirtschaftung aus Vertriebssicht brachte Dr. Jan Marckhoff (CEO und Gründer, BEN Energy AG) anschliessend Licht in das Dunkel von Kundenzentrierung mittels künstlicher Intelligenz im teil-liberalisierten Markt Schweiz. Er verdeutlichte wie man mit maschinellem Lernen, neuronalen Netzen und dem Segment-of-One Kosten spart, den Umsatz steigert und Kunden begeistert.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen ging es im zweiten Teil des Tages um das Thema Vertriebsstrategien für neue Geschäftsfelder. Eindrücklich stellte Kurt Bobst (CEO, Repower AG) seine Erfahrungen aus dem reifen und kompetitiven italienischen Markt dar. Hierzu gehörten neben einer Übersicht zur Strategie der Repower in Italien auch die Charakteristiken des Marktes, die genutzten Vertriebskanäle (Digital & Agenten), die Kundenreise sowie Einzelheiten zur digitalen Plattform. Darauf folgend zeigte Marc Ritter (Leiter Geschäftsbereich Energie, AEW Energie AG) die überaus interessante Stossrichtung der AEW zur Leistungserbringung mit regionaler Verankerung in der Schweiz. Hinter dem Ansatz verbirgt sich ein intelligentes Energiemanagementsystem namens «AEW myHome». Mit diesem Gesamtlösungsangebot für Liegenschaftsbesitzer werden Einspareffekte von bis zu 20% versprochen. Das heutige Ertragsmodell besteht in Einkaufskonditionen sowie Schlüsselpartnerschaften und wird sich wahrscheinlich in Zukunft verschieben. Der letzte Referent des ersten Tages, Thomas März (Leiter Privat- und Geschäftskunden, CKW AG), zeigte auf, wie sich die digitale Transformation auf das Kundenverhalten und die Kundenerwartungen auswirkt. Mit der Customer Journey angefangen, nahm Herr März das Publikum auf eine Reise entlang der Wertschöpfungskette und berichtete von Erfolgsfaktoren, Vertriebskonzepten und CKWs Smart Energy online & offline. Abgerundet wurde der Tag durch eine spannende Podiumsdiskussion mit den Teilnehmern Kurt Bobst, Thomas März und Marc Ritter, moderiert durch Georg Meier.

Der zweite Tag der Vertriebsleitertagung Energie war ganz der Umsetzung in der Praxis gewidmet: Angefangen bei der Beleuchtung der neuen Technologie Blockchain. Jens Bartenschlager (Director, Leiter Beratung Energiewirtschaft, PricewaterhouseCoopers) verglich die Technologie mit dem Schweizer Taschenmesser und analysierte die Faktoren und Voraussetzungen für einen sinnvollen Einsatz. Jesse Morris (Co-Founder and Secretary, Energy Web Foundation (EWF)) stellte eindrücklich dar, wie die Technologie den fundamentalen Wandel Richtung dezentrale, erneuerbare Stromerzeugung unterstützt. EWF bereitet die Grundlagen für die effiziente Nutzung vor und experimentiert mit der Community an neuen Anwendungsbeispielen. Das Startup "Oli Systems" (Thomas Brenner, CTO) zeigte in ihrem Use Case eindrücklich wie Blockchain für die Energiezertifizierung und virtuelle Transaktion  zwischen Anbieter und Nachfrager eingesetzt wird.

Abgerundet wurde die Vertriebsleitertagung Energie durch drei Präsentationen mit konkreter Umsetzung: IWBs (Markus Balmer, Leiter Vertrieb) Sonnenbox mit virtuellem Speicher hat Potential, bis auf weiteres attraktive Speicherbedingungen für PV Produzenten zu schaffen - ohne eigene Installation. Er strich die neuen Bedürfnisse der Kundengruppe Prosumer hervor: Beratung, Messung, Abrechnung, Services - und ging sogar soweit, das Geschäft als "neues Kerngeschäft" zu bezeichnen. Energiewende, Marktöffnung hinter dem Zähler und innovative Ansätze für die Erhöhung des Eigenverbrauches sowie der Rentabilität zeigten Andreas Appenzeller (Vorsitzender Geschäftsleitung, ADEV) anhand des Areals Erlenmatt Ost. Wir sind überzeugt, dass solche Beispiele Schule machen werden und aktuell einen grossen Anteil der künftigen Marktaktivitäten ausmachen. Thomas Schweingruber (Geschäftsleiter, Heizungsmacher) beleuchtete die Erfolgsfaktoren des digitalen Vertriebs: Aussehen/Emotionen, Marken, geteilte Erfahrungen, Preis, Verfügbarkeit und wählbare Optionen.

Die Vertriebsleitertagung 2018 lieferte einen tiefen Einblick in die sich verändernde Energiewirtschaft der Schweiz. Die vorgestellten Handlungsoptionen stellen dabei eine hervorragende Inspirationsquelle für neue, nachhaltige Geschäftsmodelle dar, um sich im zukünftigen Energiemarkt zu behaupten. Die Moderation von Dr. Jens Bartenschlager und Georg Meier hat den hochkarätigen Beiträgen und Diskussionsrunden einen optimalen Rahmen gegeben. Nicht zuletzt die produktiven Diskussionen und das ausgezeichnete Networking sowie die sehr gute Stimmung aller Teilnehmenden und Referenten rundeten den Erfolg der Tagung ab.