Das 9. Innovationsforum Energie vom 4. und 5. April 2019 hat ein weiteres Mal eindrücklich bewiesen wie stark es sich durch die Adressierung neuer Themen von anderen Branchenveranstaltungen unterscheidet. Internationale sowie nationale Referenten haben Einblicke in künftige Technologien und Entwicklungen gegeben. Aus dem Kreis der rund 180 Teilnehmer wurden zahlreiche Beispiele konkreter Praxiserfahrungen mit zum Teil schon wirtschaftlichem Einsatz diverser Technologien vorgestellt. Es wurde deutlich, dass die Schweizer Energiewirtschaft künftigen Entwicklungen positiv und mit Tatendrang gegenübersteht.
Zukunftsforscher Lars Thomsen hat den ersten Tag mit disruptiven Opportunitäten der kommenden 600 Wochen eingeleitet. Gemäss seinen Ausführungen passiert all das, was wir uns in unseren Köpfen vorstellen können. So haben sich beispielsweise vor 600 Wochen Einzelne den Siegeszug des iPhone vorgestellt, andere hingegen diese Disruption deutlich unterschätzt. «If a trend becomes obvious, your are too late.» Zusätzlich führt er aus,dass wir alle Zukunftsforscher sind und Szenarien nutzen um die Zukunft vorherzusehen. Er erläuterte die folgenden 7 Megatrends:
- In 1 bis 2 Jahren wird das Ende der maschinellen Dummheit durch die Verbreitung von IoT erreicht.
- In 5 Jahren hat jeder von uns einen persönlichen (elektronischen) Assistenten.
- In 2-3 Jahren werden wir uns humanoide Roboter als Butler leisten können, ein Markt für die Erledigung von 80% der Haushaltsaufgaben, welcher die Grösse des heutigen Automobilmarkts erreichen könnte.
- Der Tipping-Point bei E-Mobilität ist bereits erreicht. So führte erstmals die Schweizer Zulassungsliste von Neuwagen ein Elektrofahrzeug an.
- Künftige Geschäftsfelder der „Versorgung“ werden auch im erweiterten Feld des Gesundheitswesens beispielsweise mit Sicherheitsleistungen für ältere Menschen im privaten Umfeld liegen.
- Der Herausforderung einer wachsenden Weltbevölkerung und speziell deren Bedürfnis nach Nahrung könnte das „Vertical Farming“ eine Lösung bieten, welches sich wiederum mit seinem grossen Strombedarf zu einem wichtigen Geschäftsfeld für Energieunternehmen entwickeln könnte.
- Es wird einen Mangel an Menschen geben, die sich Dinge vorstellen können, Dinge ausprobieren und vernetzt denken.
Bereits inspiriert durch die ersten Vorträge, hat Lex Hartmann, ehemaliges Geschäftsleitungsmitglied der TenneT, und neu Vorsitzender der Geschäftsführung von Ubitricity die Teilnehmenden zu mehr „exponentiellem Denken“ aufgefordert. Es sei wichtig, in grossen Dimensionen und mehr als einen Schritt voraus zu denken, um von den künftigen Entwicklungen profitieren zu können. Zur Netzsituation in Deutschland führte er aus, dass derzeit nur rund 40% der Kapazitäten genutzt werden und ein flächendeckender Netzausbau nicht erforderlich sei. Gleichzeitig erwartet er, dass künftig fast alle stromnutzenden Geräte sogenannte Flex-Geräte sein werden, die bei ihrer Stromnutzung auf aktuelle Netzpreise reagieren werden. Themenverwand hat Romeo Deplazes von der Energie 360° ein erfolgreich realisiertes Beispiel für die intelligente Kopplung von Energiesystemen bei einem Landwirtschaftlichen Betrieb vorgestellt. Die Stadt Zürich versucht laut Anna Schindler, Direktorin Stadtentwicklung die Herausforderungen im urbanen Umfeld – anders als andere Städte – dadurch anzugehen, dass sie nicht die Smart City der Zukunft definiert, sondern vielmehr die Werkzeuge zur Verfügung stellt, womit Marktteilnehmer und städtische Mitarbeitende zur Entwicklung beitragen und diese aktiv mitgestalten können. Konkrete Werkzeuge für die Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle zeigte im Anschluss Kurt Bobst von der Repower auf. Auch er bestätigt: «Entwicklungen beginnen im Kopf. Dafür braucht es Mut, Kunden, Fehler und Partner.» Er sieht den Plattformgedanken immer stärker werden. Auf Basis eigener Projekte führte Jürg Grossen aus, dass ein Gesamtblick auf Lösungen im Energieumfeld wichtiger ist als die Entwicklung von Einzellösungen. So zeigen Beispiele, dass man den Ausbau des Verteilnetzes durch eine intelligente Steuerung dezentraler Erzeuger und Verbraucher vermeiden und erst noch finanziell attraktive Rahmenbedingungen bieten kann. Der erste Tag schloss mit einer überaus spannenden Podiumsdiskussion mit Kurt Bobst (Repower), Markus Brokhof (Alpiq), Jürg Grossen (Nationalrat) und Dr. Michael Ritzau (B E T Aachen). Thema waren Chancen und Risiken der Energiewende für Werke und Geschäftsmodelle.
Der zweite Tag bot zwei parallel durchgeführte Foren «A: Geschäftsmodelle und Technologien für die neue Energiewelt» sowie «B: Innovationen und Digitalisierung vs. Unternehmenskultur».
In Forum A starteten Arne Kähler (EW Höfe AG) und Roland Schwarzentruber (GWF AG) mit der Vorstellung des ersten flächendeckenden Smart Meter Rollout auf Glasfasern in der Schweiz. Sowohl Karl Thoma (Repower) als auch René Greiner (Uniper) stellten anschliessend beeindruckende Beispiele zur Digitalisierung vor. Bei Repower kommt bereits eine vollständig digitalisierte und papierlose Anlagenbewirtschaftung zum Einsatz. Die Uniper baut sehr erfolgreich eine umfassende digitale Plattform auf. Den Weg zum Erfolg schaffen beide Unternehmen durch die intensive Berücksichtigung der Mitarbeiter, welche als interne Kunden verstanden werden.
Der Roundtable mit Arne Kähler (EW Höfe), Stefan Rechsteiner (VISCHER) und Karl Thoma (Repower) dreht sich demgemäss um neue Wertschöpfung. Nach dem Mittagessen leitet Fabian Baerlocher zur smarten Abrechnung über Blockchain in den Themenblock Praxiserfahrungen mit der Blockchain Technologie ein. Er machte deutlich, warum die Blockchain eine passende Technologie für die Lösung des bestehenden Problems ist. So können heutige ERP-Systeme nur schwer mit grösseren EVG umgehen und diese wirtschaftlich abrechnen. Im Anschluss stellte Christian Dürr (WEW) das Projekt Quartierstrom aus Walenstadt vor. Er geht dabei besonders auf die Herausforderungen und die breite Akzeptanz in der Bevölkerung ein. Abschliessend zeigt Alain Brenzikofer (SCS AG) in Bezug auf das gleiche Projekt auf, was dynamische Netztarife bedeuten können und wie in Zukunft mit den Anforderungen zum Datenschutz umgegangen werden kann.
Im Forum B berichtet Marc Steiner (Bundesverwaltungsrichter) über das Schweizer Beschaffungsrecht. So macht sich dieses gerade auf den Weg, sich in der angewandten Maxime vom Preis- zum Qualitätswettbewerb weiterzuentwickeln. Er betonte, dass ordnungspolitische Mantras auf sektorspezifische Anforderungen überprüft werden müssen. Die Themen Nachhaltigkeit, Innovation und Qualität passen nicht zum Preis. Die Ziele des Vergaberechts wären abschliessend (weitere Kriterien nicht erlaubt):
- Transparenz
- Wettbewerb
- Wirtschaftlicher Einsatz öffentlicher Mittel
- Gleichbehandlung der Anbieter
- NEU: Korruptionsprävention
- NEU: Nachhaltigkeit
Dieser Rückblick wurde von den Tagungsmoderatoren Dr. Jens Bartenschlager (CEO, Fidectus AG) und Benjamin Teufel (Sector Leader „Energy, Mining & Metals“ Switzerland, Ernst & Young Ltd) verfasst. Zusammen haben die Moderatoren den hochkarätigen Beiträgen und Diskussionsrunden einen optimalen Rahmen gegeben. Nicht zuletzt die produktiven Diskussionen und das ausgezeichnete Networking sowie die sehr gute Stimmung aller Teilnehmenden und Referenten rundeten den Erfolg der Tagung ab.
Am 19. und 20. März 2020 wird der Anlass sein 10-jähriges Jubiläum feiern. Die Agenda für das Innovationsforum Energie 2020 wird Ende des Jahres veröffentlicht.