Donnerstag, 7. Dezember 2017

Nachlese: Verteilnetzforum vom 21.November 2017



Kreuzlingen, Schweiz, 07. Dezember 2017 - Im historischen Schloss Hünigen in Konolfingen wurde bei der ersten Ausgabe des Verteilnetzforums mit rund 40 Teilnehmern intensiv über die aktuellen und künftigen Herausforderungen für Schweizer Verteilnetzbetreiber, insbesondere im Kontext der am 1. Januar 2018 in Kraft tretenden revidierten Energie- und Stromversorgungs-gesetzgebung, diskutiert.

Dr. Mohamed Benahmed, Leiter Sektion Netze vom BFE hat zu Beginn der Tagung die Position des BFE in Bezug auf das neue Marktdesign bzw. die Versorgungssicherheit bekräftigt. Dabei hat er unter anderem auf die Importabhängigkeit der Schweiz und damit auf die zentrale Rolle der Übertragungs- und Verteilnetze hingewiesen. Alle im Rahmen der sog. „System Adequacy-Studie“ geprüften Szenarien gehen vom geplanten Netzausbau, insbesondere auf Stufe des Übertagungsnetzes aus. Dabei wurde auch der notwendige Netzausbau im benachbarten Ausland berücksichtig. Damit ist auch der Netzausbau für die Versorgungssicherheit entscheidend. Umso wichtiger ist es, dass die im Parlament hängige „Strategie Stromnetze“ nun im Rahmen der Einigungskonferenz in der Wintersession verabschiedet und nicht aufgrund artfremder Themen (Durchschnittspreismethode, Messwesen und Regel- und Steuersysteme) gefährdet wird.

Aeneas Wanner, Geschäftsleiter von Energie Zukunft Schweiz, ging in seinem Referat auf die Chancen der neuen Energiegesetzgebung ein. Aus seiner Sicht gewinnt die gesamte Energiegesetzgebung mit dieser Revision weiter an Konsistenz. Ebenfalls ist klar, dass mit der „Cost+-Regulierung“ die Margen der Netzbetreiber zwar noch gesichert sind, das Monopol aber mit Themen wie z.B. Eigenverbrauch sowie möglicher zukünftiger Liberalisierungsschritte im Messwesen zunehmend unter Druck gerät. Hinsichtlich der neuen Gesetzgebung ging Wanner dabei primär auf die Neuregelung der Flexibilität ein, welche nach neuem Recht dem Kunden gehört und bei Nutzung durch den Netzbetreiber von diesem auch über attraktivere Zusatzprodukte vergütet werden muss. Die ebenfalls angepasste Neuregelung der Bemessung der Rückliefervergütung für dezentral erzeugte und eingespeiste Energie dürfte laut Wanner noch ein grosser Diskussionspunkt darstellen, da der Einbezug der Gestehungskosten der eigenen Kraftwerke von einzelnen betroffenen EVU kaum einfach so akzeptiert werden dürfte.

Dr. Katja Keller, Leiterin Netzwirtschaft der BKW Energie AG, hielt fest, dass die Eigenverbrauchsthematik, auch die Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG), nicht eigentlich neu sei. Neu ab 2018 ist die Möglichkeit zum Zusammenschluss von mehreren Grundeigentümern und die damit verbundene Rechtsstellung der EVG als ein Endverbraucher. Die neue Regelung vereinfacht die Bildung von EVG und soll durch die Einsparung von Grundgebühren und Zählermieten sowie durch die Erlaubnis zur Bündelung beim Netzzugang die Attraktivität des Eigenverbrauchs erhöhen. Aufgrund der Kostentragungspflicht von Anschlussänderungen und der Komplexität im Handling von EVG (v.a. im Fall von Mietern) besteht insbesondere im Fall von Bestandesbauten die Gefahr eines „Papiertigers“ bzw. wird das Risiko der Entsolidarisierung als limitiert beurteilt. Im Fall von Neubauten ist das Potential für entsprechende EVG-Lösungen indes deutlich höher. Bei BKW wurden entsprechende Produkte bereits eingeführt und die Lösung ab 2018 etwas vorweggenommen.

Sven Schlittler, leitender Berater bei EVU Partners AG, analysierte in seinem Referat die heutige Tarifierungspraxis bei Verteilnetzbetreibern in Bezug auf die Netznutzungstarife. Vielfach sind diese Praxen historisch gewachsen. Entsprechend ist die Verursachergerechtigkeit solcher gewachsenen Tarifstrukturen eingeschränkt. Oft sind auch Fehlanreize oder unerwünschte Nebeneffekte wie Tarifsprünge zu beobachten. Die neue Regulierung der Netznutzungstarife im Rahmen der Revision der StromVV schränkt bestehende Freiheitsgrade der Netzbetreiber bei der Tarifierung ab 2019 im Bereich der kleineren Endkunden erheblich ein. Bis 30 kVA Anschlussleistung muss neu ein einheitliches „Basisprodukt“ angeboten werden. Wahlprodukte sind nur noch in Kombination mit Leistungspreisen vorgesehen. Zudem wird die Vorgabe eines 70%tigen Arbeitspreisanteils auf alle Endkunden bis 50 MWh ausgeweitet. Es bleibt zu hoffen, dass der Verursachergerechtigkeit dann ab 2022 mit dem revidierten StromVG wieder mehr Gewicht beigemessen werden wird.

Ulrich Rosen, Partner bei B E T Aachen, thematisierte in seinem Beitrag die Erfolgsfaktoren beim anstehenden Smart Meter Rollout. Aufgrund der damit verbundenen, steigenden Messkosten ist die Kostentransparenz ein wichtiger Faktor. Heute fehlt diese Kostentransparenz vielfach da die Relevanz der Messkosten als Teil der Netznutzungstarife bis anhin tief war. Der Rollout der Smart Meters selber ist ein operationelles Vorhaben, welches vor allem gute Datenqualität und ein effektives Projektmanagement voraussetzt. Die zentral damit verbundene, strategische Frage ist jedoch diejenige nach dem Nutzen des Smart Meter. Erst mit entsprechenden „smarten“ Produkten oder Dienstleistungen entsteht mit dem Smart Meter Rollout ein Kundennutzen. In diesem Kontext stellen sich weitere strategische Fragen nach der Eigenleistungstiefe (make or buy) und der Bedeutung des Messwesens als eigenes, konkurrenzfähiges Geschäftsfeld in einem zumindest teilliberalisierten oder strenger regulierten Markt.

Gerhard Bräuer, Leiter Netzwirtschaft der Repower AG, präsentierte das neue Asset Management (AM) Tool „EASYASSET“ von Repower. Mit dem neuen Tool will Repower ihr eigenes Asset Management unterstützen, in dem die dafür notwendigen Anlagedaten einfach und klar sowie für alle Involvierten zugänglich bereitgestellt werden. Das neue Tool verkauft Repower auch anderen Netzbetreibern als Produkt. Bräuer ist überzeugt, dass das Preis-Leistungsverhältnis im Vergleich zu anderen AM-Produkten sehr attraktiv ist und das Tool gerade auch für kleinere und mittlere Netzbetreiber interessant ist. Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung und damit für ein aktives Asset Management ist und bleibt aber letztlich eine hohe Datenqualität und eine klare, interne Organisation bzw. Rollendefinition des Asset Management als interner Auftraggeber.

Dr. Christina Würthner, Geschäftsführerin der enersis suisse AG, stellte anlässlich des ersten Schweizer Digitaltages dar, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die traditionelle Wertschöpfung von Energieversorgungsunternehmen im Allgemeinen und von Netzbetreibern im Speziellen haben kann. Der Einfluss wird dabei insbesondere in den Bereichen Handel, Verteilnetz und Vertrieb gross eingeschätzt. Das regulatorisch vorgegebene Unbundling stellt dabei aufgrund der Datentrennung bzw. der Limitierung der Datennutzung aktuell eher ein Hindernis für neue Geschäftsmodelle dar. Anhand konkreter Use Cases (z.B. Optimierung des Smart Meter Rollouts) auf ihrer Plattform namens GRIDS zeigte Würthner auf, was mit der Verknüpfung verfügbarer Daten und mit deren Visualisierung heute bereits möglich ist und was, insbesondere auch aufgrund der zunehmenden Datenverfügbarkeit und -qualität, in Zukunft möglich sein wird. Ziel von Data Analytics ist letztlich aufgrund von grossen Datenmassen konkrete Fragen zu beantworten und damit Entscheidungsgrundlagen zu schaffen.

In der abschliessenden Podiumsdiskussion diskutierten Aeneas Wasser, Ulrich Rosen und Dr. Andreas Beer (Leiter Netze von Repower AG) über die künftige Rolle der Verteilnetzbetreiber, insbesondere über die Auswirkungen der Energiestrategie 2050 und die damit verbundene Regulierungstiefe. Im Fokus der Diskussion standen dabei die Auswirkungen des Eigenverbrauchs und die Kostenfolgen des Smart Meterings insbesondere im Kontext einer möglichen Teilmarkt-Liberalisierung des Messwesens sowie die notwendigen tariflichen Handlungsoptionen. Auf die Frage zur langfristigen Entwicklung waren sich die Podiumsteilnehmer einig, dass es auch 2050 noch Verteilnetze und damit Verteilnetzbetreiber für Strom geben wird. Eine Substitution der Stromverteilung ist mittel- und längerfristig noch nicht absehbar. Eine Reduktion des Monopols und dabei der „Cost+-Sicherheit“ jedoch sehr wohl.

Dieser Rückblick wurde vom Tagungsmoderator Dr. Markus Flatt, Partner bei EVU Partners AG verfasst. Markus Flatt hat den hochkarätigen Beiträgen und Diskussionsrunden einen optimalen Rahmen gegeben. Nicht zuletzt die produktiven Diskussionen und das ausgezeichnete Networking sowie die sehr gute Stimmung aller Teilnehmenden und Referenten rundeten den Erfolg der Tagung ab.

Das nächste Verteilnetzforum findet am 13. November 2018 in Luzern statt. Informationen zu Agenda, Referenten und Anmeldung finden Sie unter www.verteilnetzforum.ch

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